Butter bei die Fische III: Vom Geo-Informationssystem zum digitalen Zwilling

von Frank Markus | Montag, 15. April 2024

Was wäre, wenn sich Starkregenereignisse häufen? Was wäre, wenn ein Teil des Parks zum Parkplatz oder ein Teil des Parkplatzes zum Park würde? Was wäre, wenn alle städtischen Gebäude mit Photovoltaikanlagen ausgestattet würden? Was wäre, wenn der Autoverkehr vollständig aus der Innenstadt verbannt würde? Ein digitaler Zwilling kann diese und viele andere "Was wäre, wenn"-Fragen beantworten.

Mit Echtzeitdaten

In verschiedenen Ausbaustufen werden Gebäude und Infrastruktur dreidimensional abgebildet - so werden Informationen präziser und auch Menschen, die nicht gewohnt sind, Pläne zu lesen, erfassen Inhalte dank dreidimensionaler Modelle schneller. Zusätzlich können Echtzeitdaten von Kameras und Sensoren, z. B. für Verkehrsdichte, Temperatur oder Wasserstände eingespielt und ausgewertet werden. 

Simulieren und Entscheiden

Jegliche Information lässt sich in die Zukunft extrapolieren, um z. B. die Folgen von Planungen besser vorherzusagen. Alternativen können untersucht werden: Kosten, Umweltschäden, CO2-Abdruck, Bauzeiten und vieles mehr werden in frühen Planungsphasen sichtbar. So lässt sich Geld sparen, die Umwelt wird besser geschützt, die Sicherheit für Bürgerinnen und Bürger steigt, mehr Menschen können in Planungsprozesse einbezogen werden, die Kommunikation mit der Bevölkerung wird einfacher.

Individuelle Lösung – standardisierter Prozess

Ein digitaler Zwilling ist stets so individuell wie die Kommune. Er setzt zwar auf Standard-Softwarelösungen auf, doch die Ausgestaltung ist für jede Kommune unterschiedlich. Bewährt hat sich ein fünfstufiges Vorgehensmodell, das von der Bestandsanalyse bis zur Begleitung in der Anwendung und zur kontinuierlichen Optimierung führt.

Phase 1 – Discovery

Auch wenn sich das Prinzip des digitalen Zwillings in wenigen Sätzen erklären lässt, sind die Vorstellungen der Beteiligten in Rathäusern und Stadtverwaltungen sehr unterschiedlich. Bevor man einen Blick auf die bisher eingesetzten Softwaresysteme, Datenbanken und Datenbestände wirft, ist es wichtig, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. 

Auch wenn sich im weiteren Verlauf neue Anwendungsmöglichkeiten ergeben werden, wenn neue Ideen und Wünsche auftauchen, müssen zunächst die grundsätzlichen Erwartungen an den digitalen Zwilling auf den Tisch. Es ist praktisch, wenn hier unterschiedliche Stimmen gehört werden: Welche Wünsche hat die Dokumentationsabteilung? Welche Bedürfnisse haben Bürgermeister und Bürgermeisterin hinsichtlich der Kommunikation? Welche Fachschalen sollten – zunächst – auf gar keinen Fall verändert werden, welche sind zu erweitern? Welche Funktionalitäten sollten unbedingt realisiert werden, welche sind „nice to have“? Welche künftigen Erweiterungen können heute schon mitgedacht werden?

Das MuM-Team bringt Erfahrung aus etlichen Projekten ein und verfügt über die Fähigkeit, zwischen unterschiedlichen Abteilungen und Fachbereichen zu „übersetzen“. Auch die unterschiedlichen Reifegrade im Umgang mit digitalen Daten spielen hier eine große Rolle.
Ergebnis des Workshops ist ein protokolliertes gemeinsames Bild des späteren digitalen Zwillings der Kommune, der durch Bürgermeisteramt und/oder Stadtrat genehmigt wird.

Phase 2 – Analyse

Die meisten Kommunen verfügen heute über ein GIS, in dem Daten aus unterschiedlichen Quellen erfasst, fortgeführt und ausgewertet werden. Daneben gibt es meist etliche weitere Datenquellen in Fachämtern, die nicht zentral im GIS verwaltet werden, aber genau dort hingehören. Es gilt nun, dieses Datenmaterial zu analysieren und zu bewerten. Welche Informationen lassen sich 1:1 in den digitalen Zwilling übernehmen? Wo sind Ergänzungen nötig? Wie können die Ergänzungen beschafft und ins System übernommen werden. 
Aus den groben Vorstellungen der Phase 1 werden jetzt Anwendungsfälle skizziert. Diese sog. Use Cases beschreiben exakt die Geschäftsprozesse und die dafür nötigen Daten. Wichtig ist, dass für jede Anwendung zunächst Key User definiert werden, die Lust und Kapazität haben, die neuen Funktionen zu nutzen und ihre Erfahrungen in die weitere Umsetzung einzubringen. 

Phase 3 – Pilotanwendung 

Es wird ernst: Die ersten Prozesse sind definiert und wurden softwaremäßig umgesetzt. Für eine kleine Gruppe Anwenderinnen und Anwender startet jetzt die Phase des Kennenlernens und Erleben des digitalen Zwillings.  

Beispiel

Die Stadt Schwabach hat das Potenzial für Photovoltaikanlagen in der Stadt analysieren lassen. Aus den Katasterdaten und Daten der Drohnenbefliegung entstand ein dreidimensionales Modell der Stadt, in dem die Gebäude als „Klötzchen“ dargestellt sind. Analysiert wurden die Ausrichtung des Daches, Sonneneinstrahlung und Verschattung über das ganze Jahr. Das umfassende Datenmaterial und bestehende Fachanwendungen ermitteln das jeweilige Potenzial zur Stromerzeugung pro Dach vollautomatisch. Die Anwendung im digitalen Zwilling stellt dieses in „Ampelfarben“ dar. Fachabteilungen und Eigentümer können anhand dieser Daten leicht eine Entscheidung für oder gegen die Installation treffen. 

 

Phase 4 – Roll out

Zum Roll-out – dem kommunenweiten Bereitstellen des digitalen Zwillings und seiner Softwarekomponenten – liegen alle relevanten Daten in einer einzigen Datenbank vor. Diese einzige Quelle der Wahrheit (Single Source of Truth) ist Dreh- und Angelpunkt des digitalen Zwillings und verhindert vor allem die redundante Erfassung bestehender Daten. Auf diese Datenbank greifen alle Anwenderinnen und Anwender, die das System ab jetzt nutzen können, zu. Wo nötig, erhalten die Mitarbeitenden eine Schulung, denn nur wer genau weiß, was das System leisten kann, wird es auch am effizientesten nutzen können. 
Datenbestände, die noch in gesonderten Datenbanken oder Anwendungen gespeichert sind, werden kontinuierlich in die zentrale Anwendung übertragen, so dass möglichst viele Synergien aus der Verknüpfung der Daten entstehen. 

Die in der Analysephase definierten Geschäftsprozesse werden Zug um Zug implementiert und ausgerollt. Das MuM-Team und die Key User bzw. das interne Projektteam sind in regelmäßigem Kontakt, um Rückmeldungen auszuwerten und nötige Anpassungen vorzunehmen. 
So fließen z. B. bei der kommunalen Wärmeplanung neben den Informationen über Gebäude, Heizungsausstattung und Einwohnerkennzahlen auch die Informationen der Schornsteinfeger ein, die erst das Bild der genutzten Wärmequellen vervollständigen.

Phase 5 – Erweiterungen

So wie der Appetit beim Essen kommt, kommen die Ideen, wenn ein digitaler Zwilling genutzt wird. Die Menschen, die jetzt mit der Lösung arbeiten, wissen am besten, welche Prozesse verschlankt oder optimiert werden können, welche Auswertungen ihnen die Arbeit erleichtern, wie sich Daten für neue Erkenntnisse verknüpfen lassen usw.

Darum ist die Nutzungsphase des digitalen Zwillings die spannendste. Das MuM-Team ist auch in dieser Zeit an der Seite der Anwenderinnen und Anwender: MuM fungiert während der gesamten Zeit als Berater, technischer Betreuer, Entwickler und Supporter. Auf diese Weise können Ideen zeitnah umgesetzt werden und der digitale Zwilling amortisiert sich immer schneller, da viele Verbesserungen unmittelbar Kosten senken können. 

Die Kommunen sind durch die enge Zusammenarbeit auch auf künftige Anforderungen gut vorbereitet: Wenn z. B. behördliche Auflagen oder neue gesetzliche Regelungen fordern, neue Daten bereitzustellen oder Daten neu/anders auszuwerten, lassen sich diese Ansprüche leicht erfüllen. 

Zum Weiterlesen:

Zu den Kommunen, die mit MuM Digitale Zwillinge realisiert haben, gehören:

Bei Fragen oder mehr Informationen kontaktieren Sie mich gerne unter frank.markus@mum.de.

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