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Wer „Mähdrescher“ hört, denkt „grün“: Auch die Designstrategie transportiert das Unternehmensimage.
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Ein sicherer Blick in die Zukunft

Der Landmaschinenhersteller Claas führt Autodesk VRED im Corporate Industrial Design ein

Designkompetenz im Haus zu haben und Entscheidungswege zu verkürzen war die Motivation des internationalen Landtechnikherstellers Claas mit Hauptsitz im ostwestfälischen Harsewinkel, das Thema Industriedesign organisatorisch der Konzernleitung anzugliedern. In Zukunft möchte man Designvarianten so früh wie möglich virtuell ausprobieren, ohne physische Modelle anzufertigen. Autodesk VRED hat die Tests erfolgreich bestanden; MuM und Autodesk begleiten die Designer bei Claas in die virtuelle Welt.

Wer in Deutschland das Wort „Mähdrescher“ hört, sieht sehr wahrscheinlich sofort ein mattes, helles Grün und einen roten Schriftzug vor sich. Die meisten Mähdrescher hierzulande sind eben „saatengrün“ und stammen aus dem Hause Claas, dem europäischen Marktführer. Zu den erfolgreichen Produkten des ostwestfälischen Landmaschinenherstellers gehören außerdem selbstfahrende Feldhäcksler, Traktoren, landwirtschaftliche Pressen, Teleskop- und Radlader sowie Futtererntemaschinen. Weltweit arbeiten fast 11.000 Menschen für Claas; der Umsatz lag 2017 bei über 3,7 Milliarden Euro.

Innovation als Erfolgstreiber

Die Erfolgsgeschichte begann 1921, als die Brüder Claas das Patent für ihren „Knoter“ erhielten, mit dem sich Strohbündel sicher zusammenbinden liessen. 15 Jahre später ging der erste für europäische Ernteverhältnisse geeignete Mähdrescher in Serie, und nach dem Zweiten Weltkrieg war Claas eines der ersten deutschen Unternehmen, das von der britischen Besatzung die Genehmigung zur Produktion erhielt. Mit vielen Innovationen und hoher Qualität bleibt man auf Wachstumskurs.
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Design ist auch ein Kommunikationsmittel

Das bekannte Saatengrün wurde allerdings erst in den 60er Jahren zur Claas-Farbe. „Das war der erste große Schritt zu einer Industriedesign- Strategie“, erklärt Alain Blind, Leiter des Fachbereichs Corporate Industrial Design, der seit 2014 direkt der Konzernleitung unterstellt ist. Zu einer Designstrategie gehört viel mehr als Form und Farbe – auch wenn diese ein wichtiger Teil der Kommunikation sind. „Wer unseren Fahrzeugen begegnet oder auf der Landstraße hinter einem Traktor oder Mähdrescher herfährt, soll dabei ein gutes Gefühl haben und sich nicht etwa durch die schiere Größe der Maschinen bedroht fühlen“, erklärt Alain Blind.

Eine Designstrategie betrifft auch das „Innenleben“: Wie werden die Maschinen gesteuert – per Lenkrad, Joystick oder Sprache? Wie sind die Bedienelemente angeordnet? Welche Bauteile kann man als Modul in andere Maschinen oder Modelle übernehmen, um Synergien zu schaffen? Durchdachtes Design hilft letztlich, Geld zu sparen.

Bleistift, Knete und Computer

Die allerersten Werkzeuge bei jeder neuen Idee seien nach wie vor Bleistift und Papier, erklärt Alain Blind. Einfache Skizzen, ein paar Striche, ein paar Flächen, ein paar Pfeile ... damit beginnt die Diskussion, die irgendwann zu einem Entwurf am Computer führt. Auch Knetgummi, Schaumstoff und Holz seien aus dem Designbüro nicht wegzudenken, selbst wenn 3D-Konstruktion und 3D-Druck immer mehr Möglichkeiten bieten.

Erst wenn man sich grundsätzlich auf eine Idee verständigt hat, lohnt es sich, die Skizzen im Computer auszuarbeiten. Dann gewinnt man viel Zeit, weil man beliebig präzise arbeiten und mit ein paar Mausklicks Varianten entwickeln kann. Die Designer – bei Claas sind übrigens die meisten Mitarbeiter im Industriedesign studierte Maschinenbauer – können gemeinsam an Projekten arbeiten, Ideen austauschen und Details im digitalen 3D-Modell überprüfen.

Leistungsgrenze „Mensch“

Von Anfang an nutzte das Team um Alain Blind Autodesk Alias Design, um Designgrundlagen zu erarbeiten, die dann für sämtliche Produktentwickler der Unternehmensgruppe verbindlich sind. In Sachen Funktionalität und Performance sowie beim flexiblen Datenaustausch überzeugt die Software.

Doch keine CAD-Zeichnung, kein Rendering, keine klassische Visualisierung ist in der Lage, Menschen zu überzeugen, die nicht gewöhnt sind, sich mit Computermodellen zu beschäftigen. Natürlich kann derzeit auch die schönste Computersimulation kein haptisches Erlebnis bieten: Man kann sich nicht in einen Fahrersitz setzen, kann die Bedienelemente nicht anfassen. Doch wenn es darum geht, ein Designkonzept, also eine Art „Gestaltungskorridor“ zu finden, kann eine Computersimulation den Prototyp in frühen Designphasen ersetzen und damit Geld sparen.
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Hilft die virtuelle Realität?

Autodesk hat für solche Aufgaben eine Lösung: Autodesk VRED ist eine Software, um Produkte bzw. Produktentwürfe in einer virtuellen Realität begehbar zu machen. Auch wenn man keine Knöpfe drücken und keine Hebel betätigen kann, erhält der Benutzer einen sehr realistischen Eindruck der künftigen Umgebung – bei Claas z. B. einer Fahrerkabine.

Bei der Suche nach dem richtigen Anbieter kam die Osnabrücker Niederlassung von MuM als Vertriebspartner ins Spiel. Die Bedürfnisse und Wünsche von Alain Blind und seinem Team wurden ermittelt; die passende Hardwarekonfiguration für VRED wurde zusammengestellt.

„Wir haben uns inzwischen sehr daran gewöhnt, dass man auch 3D-CAD auf einem Laptop machen kann“, schmunzelt Alain Blind. „Dass wir für unser Vorhaben tatsächlich wieder eine Workstation, und zwar eine mit Höchstleistung, brauchen und dass diese Investition deutlich höher liegt als für einen CAD-Arbeitsplatz ... das hat unser Controlling und die IT erst einmal überrascht.“

Erstmal testen

Zum Glück lassen Lieferanten wie Autodesk und MuM ihre Kunden bei solchen Entscheidungen nicht allein: Man kann die Software 30 Tage unverbindlich testen. Auch der Hardware-Lieferant, Terra Wortmann aus Hüllhorst, stellte Workstation und VR-Equipment zur Verfügung. Der Arbeitsplatz bestand aus zwei PNY Quadro P6000, zwei Intel XEON E5-2667v4/ mit 8x3.20Ghz, 64GB DDR4 RAM, Windows 10 auf einer m2 SSD; ein HTC-Vive-VR-System war bei Claas bereits vorhanden. Zur Einführung gab es ein langes Interview mit den VR-Spezialisten, dann ging es daran, Szenen zu entwickeln und ein neues Traktormodell digital erlebbar zu machen.

Ein Traktor ist kein Auto

30 Tage Testzeit – das klingt nach viel. Allerdings konnte man bei Claas keinen Mitarbeiter abstellen, der sich 100 Prozent seiner Zeit mit dem neuen System beschäftigt. „Ich habe immer wieder für ein paar Stunden hier am Computer gesessen“, erinnert sich Markus Grevinga, der sich am intensivsten mit Rechner und Software beschäftigt hat. „Aber dazwischen war natürlich das Tagesgeschäft dran, und so waren wir nach 30 Tagen noch nicht so weit, wie wir eigentlich sein wollten.“ Das lag aber auch daran, dass die optischen Unterschiede zwischen Auto und Traktor erhebliche Auswirkungen auf den Rechenaufwand haben: Während man sich beim Auto an den grossen, eleganten Flächen erfreut, sind beim Traktor viele Details sichtbar. Diese kleinen Flächen vergrössern das Datenvolumen gewaltig, während man für die digitale Darstellung einer geschwungenen Motorhaube nur wenig Daten benötigt und das Volumen überschaubar bleibt. Ein digitaler Traktor ist etliche Gigabyte gross, eine digitale Luxuslimousine nur ein paar Megabyte. Diese Erkenntnis überraschte auch die Software-Entwickler.
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Virtuelle Realität ist so „real“, dass man meinen könnte, die Traktorreifen zu riechen.
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Als würden alle Sinne angesprochen

Gemeinsam wurde eine Lösung gefunden: Die Testzeit wurde auf 90 Tage verlängert – und in dieser Zeit entwickelte sich der digitale Traktor zur Präsentationsreife. Ein Entwicklerteam von Claas konnte sich mit Hilfe von Computerbrille und Sensoren auf den Parkplatz vor dem Firmengebäude „beamen“, wo das Traktormodell zu bewundern war. Mit einem Klick teleportiert man sich an bestimmte Punkte auf, unter oder neben dem Traktor. Von dort aus kann man die Details des Traktors genau betrachten, „ein- und aussteigen“ und das Fahrzeug in Originalgröße erleben. Das sieht so echt aus, dass man sich für einen Moment fragt, ob man tatsächlich die Gummireifen riecht, bevor man feststellt, dass ja Teile der 3D-Brille aus Gummi sind.

VR – nicht nur für Maschinen

Man kann VR natürlich noch viel weiter denken: Auch Produktionsstraßen und ganze Werksanlagen lassen sich als digitale Modelle aufbauen und durch die virtuelle Begehung genauer untersuchen und optimieren. Die Teams von MuM und Autodesk stehen mit Know-how, Equipment und Begeisterung für die neuen Projekte bereit.
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